KTBL-Tage 2017

Wege in die Zukunft der deutschen Nutztierhaltung

Die Entwicklungsperspektiven der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung in Deutsch-
land waren das Thema der KTBL-Tage 2017 in Berlin. Referenten aus Politik, Wirt-
schaft, Forschung und landwirtschaftlicher Praxis zeigten Lösungsansätze für die
Produktion auf regionalen, nationalen und globalisierten Märkten auf.


Über 300 Teilnehmer begrüßte der scheidende KTBL-Präsident Prof. Dr. Thomas
Jungbluth auf den KTBL-Tagen 2017 Berlin. „Schon seit vielen Jahren befasst sich
das KTBL mit Tierschutz und Tierwohl. Mit dieser Tagung wollen wir Ideen entwi-
ckeln und Lösungen sowohl im Hinblick auf die Umweltgesetzgebung als auch unter
Tierwohlaspekte aufzeigen“, erklärte Jungbluth. Peter Bleser, Parlamentarischer
Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, BMEL, ging
auf die deutsche Lebensmittelproduktion ein: „Wir haben in Deutschland eine hohe
Qualität und Sicherheit bei Lebensmitteln und innerhalb der EU mit den höchsten
Tierschutz-Standard. Nichtsdestotrotz befinden sich viele Betriebe in einer wirt-
schaftlich schwierigen Situation und da schmerzt es doppelt, wenn Bauern mit Nutz-
tieren stigmatisiert werden“, erklärte der Staatssekretär. Ziel sei es, die Akzeptanz in
der Bevölkerung wiederherzustellen und das Tierwohl als festen Bestandteil der
Europäischen Agrarpolitik zu verankern.


Globales Potenzial für die Hersteller von Tierhaltungstechnologie
„Es wird weiter Veränderungen geben, diese sind aber nicht das Ende der Tierhal-
tung“, stellte Sven Guericke, COO Big Dutchman, fest. „Wie ernähren wir die Welt?“,
laute die Kernfrage, um die sich alles drehe. Eine steigende Weltbevölkerung hat
einen steigenden Eiweißbedarf zur Folge. Bis 2050 rechnet die Welternährungsor-
ganisation FAO mit einem Anstieg um 70 %. Die Nahrungsmittelproduktion wurde in
den letzten Jahrzehnten enorm gesteigert, das Ergebnis sind steigende Nachfrage
und weiterwachsende Märkte, erläuterte Guericke. Die prognostizierten Wachstums-
raten für den Schweinefleischverzehr seien beispielsweise für China, Ostasien, die
Ukraine und Brasilien steigend. Während aber China seine Schweinefleischproduk-
tion etwa nach Afrika und Südostasien auslagere, investiere Russland vermehrt in
den Ausbau der inländischen Schweinehaltung, erklärte Guericke. Gleichwohl wer-
de Deutschland in Zukunft nicht mehr Exportweltmeister sein, prognostizierte er.
„Gesellschaftliche Veränderungen werden weiterhin die Wettbewerbsfähigkeit ein-
schränken“, sagte er, die Rückverfolgbarkeit sei dagegen ein Pfund, mit dem es zu
wuchern gelte. Ob sich der Fokus künftig neben Geflügel und Schweinen auch auf
andere Eiweißquellen wie Insekten-Protein oder maritimen Eiweißquellen richte, sei
eine spannende Zukunftsfrage.


Die Menschen in der Nutztierhaltung im Blick behalten
Den Status Quo der Nutztierhaltung in Deutschland beleuchtete Peter Spandau,
Leiter Unternehmensberatung der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen: Die
Zahl der Milchkühe hat seit 1997 um etwa 20 % abgenommen. Um 60 % deutlicher
gesunken ist hingegen die Zahl der Milchviehhalter. Dramatisch ist die Entwicklung
in der Ferkelerzeugung. Seit 1999 hat sich der Bestand von fast 2,7 Mio. Sauen auf
wenig mehr als 1,9 Mio. Sauen reduziert. Die Zahl der Sauenhalter ist dabei von
knapp 64.000 auf 9.000 zurückgegangen. Etwa 10–15 % der in Deutschland ge-
mästeten Schweine stammen inzwischen von importierten Ferkeln. „Bei der Bewer-
tung dieser Zahlen müssen wir immer im Hinterkopf haben, dass hinter den Viehbe-
ständen Menschen stehen, die auf ihren Höfen mit der Nutztierhaltung den Lebens-
unterhalt für ihre Familien erwirtschaften müssen“, betonte Spandau. Im Mittel sei
die wirtschaftliche Entwicklung der Haupterwerbsbetriebe in den letzten 20 Jahren
sehr verhalten gewesen. „Nur durch den erheblichen Anstieg in den produktions-
technischen Leistungen und einen massiven, einzelbetrieblichen Bestandsaufbau
waren die Betriebe in der Lage, das Familieneinkommen zu sichern. Dabei stehen
die Ferkelerzeuger wirtschaftlich am stärksten unter Druck, während die Schweine-
mast insgesamt eine positive Entwicklung verzeichnen kann. Künftige Tierwohl-
maßnahmen und die Novelle der TA Luft werden die Nutztierhaltung in Deutschland
weiter beeinflussen, erklärte Spandau. Diese Maßnahmen seien aber nicht zum
Nulltarif zu bekommen, so der Berater. Ein Direktzahlungssystem könnte sich an
das Vergütungsverfahren anlehnen, das derzeit im Rahmen der „Initiative Tierwohl“
praktiziert wird. Eine Vergütung der Maßnahmen ausschließlich über höhere Pro-
duktpreise scheint hingegen bei den derzeitigen Marktbedingungen eher unrealis-
tisch zu sein, stellte Spandau fest.


Abnahmeverträge zu gesicherten Preisen für Öko-Produkte
Die Markt- und Einkommenspotenziale der ökologischen Tierhaltung waren das
Thema von Naturland-Berater Jürgen Herrle. Der Öko-Markt wachse fast jedes Jahr
im zweistelligen Bereich. 2016 wurden in Deutschland 9,5 Mrd. Euro mit Öko-
Lebensmitteln umgesetzt. Spitzenreiter sind die Eier mit 11,7 %, gefolgt von 6,8 %
bei Konsummilch. Fleisch- und Wurstwaren hinken dagegen mit 1,3–1,8 % hinter-
her, Geflügel und Tiefkühlfleisch haben hier den stärksten Anteil. „Mit steigendem
Marktanteil wird die Nachfrage nach Fleischwaren weiter steigen“, ist sich Herrle
sicher. Während bei den konventionellen Betrieben bei tierischen Produkten hohe
Preisschwankungen zu verzeichnen seien, sei der Preis für Öko-Produkte deutlich
stabiler, erklärte der Berater. Doch auch wenn in Deutschland die Produktion hinter
dem Absatz herhinke, so sei eine dem Markt nicht angepasste Umstellung von Be-
trieben nicht zu raten, denn sie würde sich verheerend auf den Öko-Markt auswir-
ken. „Wenn in Deutschland die Umstellung unterstützt werden soll, muss man den
europäischen Ökomarkt im Blick behalten“, erklärte Herrle, „da die Landwirte in an-
deren europäischen Ländern oft schneller auf Marktveränderungen reagieren kön-
nen.“ Erfolgversprechend sei deshalb eine Umstellung nur mit garantierten langjäh-
rigen Abnahmeverträgen zu gesicherten Preisen.


Nationale Nutztierstrategie zur Bewältigung von Umwelt- und Tierschutzan-
forderungen

„Die Tierhaltungsbetriebe stehen zunehmend vor der Herausforderung, in der Be-
völkerung und in der Nachbarschaft Akzeptanz zu finden. Sie sollen ihre Tiere in
emissionsarmen und zugleich möglichst tiergerechten Ställen halten, wenn sie sich
weiterentwickeln wollen“, stellte Ewald Grimm vom Team Tierhaltung, Standortent-
wicklung, Immissionsschutz im KTBL fest. Darüber hinaus müssen sie steigende
Anforderungen von EU-Richtlinien wie NERC, NEC und IED sowie die Ansprüche
der TA Luft erfüllen. Die Umsetzung der Immissionsvorgaben sei für die Betriebe mit
großen Kosten verbunden, die bisher nicht durch höhere Erzeugerpreise kompen-
siert werden. Dabei seien die Strukturen in der Nutztierhaltung nicht einheitlich, es
gibt eine regionale Konzentration, so Grimm, ein integrativer Ansatz zur Lösungs-
bewältigung in einer nationalen Nutztierstrategie in der das Zusammenwirken der
verschiedenen Rechtsbereiche analysiert werde, dränge sich daher förmlich auf.
Die Kurzfassungen der Vorträge sowie die Präsentationen können in Kürze im PDF-
Format auf der Homepage des KTBL unter www.ktbl.de im Bereich „Über Uns –
Tagungsergebnisse“ kostenfrei heruntergeladen werden. Die mitgefilmten Vorträge
finden Sie im Nachgang im KTBL YouTube-Kanal.

KTBL-Presse-Information vom 3. April 2017 als TXT- oder DOCX-Datei.

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