Im Bundeswettbewerb "Landwirtschaftliches Bauen" 2011/12 wurden sechs Ställe ausgezeichnet –Stallbauten bei denen besonders hoher Wert auf Transparenz und Verbraucherkontakt gelegt wurde und deren Konzepte auf andere Betriebe übertragbar sind.
Die Vorstellungen und Erwartungen der nicht landwirtschaftlichen Bevölkerung von dem, was Tierhaltung in der heutigen Zeit ausmacht oder ausmachen sollte, weichen immer häufiger von den Verhältnissen auf den tierhaltenden Betrieben ab. Die direkten Kontakte zwischen Tierhaltern und Nichttierhaltern schwinden. Ursachen liegen zum einen in der Verstädterung der Bevölkerung. Zum anderen werden immer mehr Tiere in geschlossenen Stallanlagen gehalten. Unter den eingeschränkten Kontakten leiden das gegenseitige Verständnis und Vertrauen.
"Gläserne Ställe" – beispielhaft sind Besuchergänge, Sichtfenster, Hoftage und Führungen zu nennen – sind eine Möglichkeit, um einen unverfälschten Einblick in die Tierhaltung zu gewähren und der Entfremdung entgegenzuwirken.
Viele Maßnahmen sind jedoch mit erheblichem Aufwand verbunden. Dies betrifft die Kosten für technische und bauliche Einrichtungen, vor allem aber auch die zeitintensive und qualifizierte Begleitung der Besucher. Der Erfolg der Maßnahmen hängt deshalb auch wesentlich von er Tierhalterin bzw. dem Tierhalter und der mit der Öffentlichkeitsarbeit betrauten Person ab.
Damit die Maßnahmen erfolgreich sind, müssen 3 Aspekte berücksichtigt werden: die Gesundheit der Tiere darf nicht gefährdet werden; die Besucher dürfen nicht zu Schaden kommen; "Bilder" allein reichen nicht, sie bedürfen der didaktisch abgestimmten Kommentierung.
Am 14. November 2012 überreichte der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Gerd Müller vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gemeinsam mit KTBL-Präsident Prof. Dr. Thomas Jungbluth den mit insgesamt 15.000 Euro dotierten Preis. Sechs Betriebe wurden auf dem TopTierTreff der EuroTier in Hannover für herausragende Leistungen prämiert.
Im gläsernen Stall der Hönig-Hof GmbH leben 12.000 Legehennen in Freilandhaltung mit Kaltscharrraum und fünf Hektar Auslauffläche, die zu 50 % mit Bäumen und Büschen bepflanzt ist. Der Besucherbereich umfasst zwei Ebenen: Alle Gäste können von außen den Freilaufbereich einsehen und durch zwei Fenster im Eingangsbereich einen ersten Blick in den auch als "Wintergarten" bezeichneten Kaltscharrraum werfen. Nach Betreten des Stalles kann sowohl der Wintergarten als auch der Stallbereich mit den Legenestern eingesehen werden. Das L-förmig angelegte Obergeschoss ist mit rund 85 m² großzügig und modern gestaltet. Von hier blickt der interessierte Besucher in den Stallbereich mit Legenestern, Futter- und Tränkeeinrichtungen sowie Eierbändern bis in die Eierpackstation und kann beobachten, wie das Ei aus dem Stall auf den Weg zum Verbraucher gelangt. Die erhöhte Position bietet eine gute Übersicht über den gesamten Bereich.
Der Karlshof der Karl und Michael Dörr GbR ist seit den Neunzigerjahren "Schulbauernhof". Seit 2004 besteht für Besucher nahezu rund um die Uhr die Möglichkeit, den Betrieb mit 275 Milchkühen auf eigene Faust zu erkunden. Von 5:00 Uhr morgens – Melkbeginn – bis 22:00 Uhr abends – Stallruhe – darf zugeschaut werden. Das zum Wettbewerb eingereichte Gesamtkonzept setzt sich aus mehreren Teilprojekten zusammen. Im Melkzentrum befindet sich über den Technikräumen ein Besucherraum, von dem aus Besucher den Melkvorgang beobachten können. Am Melkzentrum, in unmittelbarer Nähe zu den Besucherparkplätzen, erläutern große Schilder den "Karlshofpfad". Gleich zu Beginn werden fünf klar formulierte Regeln für den Besuch auf dem Hof und in den Ställen aufgezeigt. Von der Werkstatt bis zum Kälberstall sind überall Hinweisschilder angebracht, die zahlreiche Informationen zu den jeweiligen Betriebsbereichen geben.
Die Agrargesellschaft Kandelin GmbH hält rund 1.020 Milchkühe und hat in drei Bauabschnitten zwischen 2004 und 2012 alte Typenställe L 203 saniert und neue Ställe gebaut sowie das neue Melkzentrum errichtet. Das Melkzentrum als zentraler Besuchermagnet besteht im Tierbereich aus Betonwänden und im Besucher-/Bürobereich aus Gasbetonwänden. Alle Funktionsgebäude sind nach einem einheitlichen Farbkonzept in Silbergrau und Blau gestaltet und fügen sich sehr harmonisch in das Umfeld ein. Besucher betreten das Melkzentrum über die großflächig verglaste Giebelfront und erhalten ebenerdig durch Glastüren bereits einen ersten Einblick in das Melkgeschehen. Im Obergeschoss befindet sich ein einseitig verglaster und 85 m² großer Besucherraum, der den Blick auf den Melkstand ermöglicht. Die Agrargesellschaft Kandelin wird von 40–50 Menschen im Monat besucht. Auch die auf dem Betriebsgelände befindliche Biogasanlage wird in die Führungen mit einbezogen und durch fachkundige Mitarbeiter erläutert.
Der Familienbetrieb Klostermann hat 2001 und 2005 seinen ehemaligen Rindermaststall zum Sauen- und Flatdeckstall umgebaut und ein Abferkelstall mit 48 Plätzen für insgesamt 180 Sauen gebaut. Besucher werden auf der Diele empfangen und können durch mehrere Fenster tragenden Sauen und Ferkel bis 30 kg beobachten. Über den Deck- und Wartestall bis hin zum Ferkelaufzuchtstall und letztendlich zum Maststall mit 1.450 Tierplötzen wird der Lebensweg eines Mastschweins ausführlich erläutert. Der Schwerpunkt der Öffentlichkeitsarbeit liegt auf dem Schulbereich. Die Schüler werden im Unterricht auf den Besuch des landwirtschaftlichen Betriebs vorbereitet. Sie erhalten altersangepasste Arbeitsmaterialien und müssen sich durch gezielte Fragen einen Überblick über den Hof und das Geschehen rund um die Landwirtschaft verschaffen. Auch die Zusammenarbeit mit den Berufsbildenden Schulen des Kreises – hier können Hauptschüler über fünf Wochen jeweils einen Tag ein Praktikum absolvieren – ist beispielhaft. Das Echo in der Tagespresse wie auch in Fachjournalen bestätigt die hohe Öffentlichkeitswirkung.
Familie Kümmerle erzeugt aus eigener Ferkelproduktion rund 2.400 Mastschweine im Jahr. Das Haltungsverfahren ist ein Schrägbodenstall mit planbefestigtem, eingestreutem Boden. An den Außenwänden befindet sich ein Bereich mit Spaltenböden. Vor jeder Gruppenbucht befindet sich ein etwa 18 m² großer Auslauf – planbefestigt mit Schieberentmistung. Der Besucher kann die Tiere im Auslauf oder durch ein Besucherfenster an der Giebelseite des Stalls beobachten. Angemeldete Gruppen werden vom Betriebsleiter durch die gesamte Stallanlage geführt. Der Rundgang führt zu Beginn unmittelbar durch den Abferkelstall und dann in den Aufzuchtstall. Hier wird über Fenster in den Türen Einblick gewährt. Der Rundgang endet im Maststall, wo sich der Besucher wieder auf dem Mittelgang durch den Stall bewegt und die Tiere direkt beobachten kann. Im Gegensatz zu vielen Landwirten, die einen mitten durch das Betriebsgelände führenden Wanderweg eher als Standortnachteil empfinden würden, nutzt Familie Kümmerle die Vorteile, die der Weg bietet. Direkt am Wanderweg platzierte Informationsschilder erläutern die Haltung der Schweine und laden bei geöffneten Hoftoren zum Schauen ein.
In Illkofen hat Familie Schmaußer 1997 ihren Laufstall für derzeit 86 Milchkühe in Betrieb genommen. In der südlichen Giebelfront befindet sich der Melkstand und darüber der erste Bauabschnitt des zunächst nur als Aufenthaltsraum geplanten heutigen Kuhstallcafés aus dem Baujahr 1998. 1999 folgten Küche und Sanitärräume und 2006 wurden 40 Sitzplätze in einen parallel zum Futtertisch liegenden Raum in den Stall hineingebaut. Die Fensterfronten ermöglichen den ungehinderten Blick von oben auf die Kühe. Nahezu das gesamte Kuhstallcafé-Serviceteam wird von Familienmitgliedern gestellt. Der Betriebsleiter nimmt sich grundsätzlich die Zeit, den Besuchern die Haltung der Tiere und die Produktion von Milch zu erläutern. Für angemeldete Gruppen werden Betriebsführungen angeboten. Die Kooperation mit der Initiative "Landerlebnisreisen Bayern" und verschiedenen Busreiseanbietern verstärkt die Nachfrage. Die einzelnen Entwicklungsstufen des Kalbes bis zur Kuh werden erläutert und dem Besucher nahegebracht. Familie Schmaußer ermöglicht mit ihren 100 Sitzplätzen Besuchern bei einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen den Einblick in den Alltag der Tiere, deren Verhalten durch die Fensterfront beobachtet werden kann.
Unser innovativer Stall – 25. Bundeswettbewerbes "Landwirtschaftliches Bauen"
Energie clever nutzen – Ergebnisse des 22. Bundeswettbewerbes "Landwirtschaftliches Bauen"
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